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Bankrecht | Überraschendes Urteil des EuGH – Zahlreiche Darlehensverträge von 2010 bis 2016 widerruflich!

Mit Urteil vom 26.03.2020 (Az. C-66/19) hat der EuGH entschieden, dass eine von zahlreichen Banken und Sparkassen verwendete Formulierung zu Widerrufsinformationen in Darlehens- und Kreditverträgen nicht ordnungsgemäß ist, da diese nicht "klar und prägnant“ ist. Daher entsprechen diese Formulierungen nicht der europäischen Richtlinie 2008/48. 

Hintergrund war eine Vorlage des Landgerichts Saarlouis, welches die Frage, ob diese Formulierung europarechtskonform sei, zunächst aufbrachte. Der BGH hatte bereits im Jahr 2016 (Urteil vom 22.11.2016, Az. XI ZR 434/15) entschieden, dass die Formulierung rechtens sei, so dass dieses Vorgehen des Landgerichts als durchaus unüblich bezeichnet werden kann.

Um welche Formulierung geht es?

Es handelt sich um die nachstehende Formulierung, die in Millionen von Kreditverträgen vorhanden ist, da die vom Justizministerium vorgegebene Musterwiderrufsinformation eben diese enthielt:

„Die Frist beginnt nach Vertragsschluss, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angaben zur Art des Darlehens, (...) zum Nettodarlehensbetrag, (...) zur Vertragslaufzeit (...) erhalten hat“.

Dieser sogenannte Kaskadenverweis, also der Verweis auf die Norm § 492 Abs. 2 BGB, der wiederum auf die Normen Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB verweist, ist nach Auffassung der Richter beim EuGH nicht klar und prägnant. Problematisch sieht der EuGH, dass der Verbraucher diese Normen gerade nicht kennt und daher nicht auf Basis des ihm vorliegenden Vertrags alles prüfen kann. Er muss jedoch über alle Modalitäten belehrt werden, die für die Berechnung der Widerrufsfrist erforderlich sind. 

So führt der EuGH aus, dass die in Deutschland verwendete Widerrufsinformation dazu führt, dass „der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen [kann], ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle nach dieser Bestimmung erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.“ [Urteil vom 26.03.2020 (Az. C-66/19), Rn. 44]

Was bedeutet das für Betroffene? 

Das Ergebnis der Richter am EuGH kommt für viele überraschend, hat jedoch enorme Auswirkungen: Nahezu sämtliche Verträge, die zwischen Juni 2010 bis März 2016 abgeschlossen wurden, enthalten diese Formulierung, da sie ja der vom deutschen Gesetzgeber vorgegebenen Musterwiderrufsinformation entsprochen hat und sind daher widerruflich. 

Das bedeutet, dass Betroffene, welche diese Formulierung in Ihren Verträge finden nicht ordnungsgemäß über Ihr Widerrufsrecht belehrt wurden. Die Rechtsfolge ist, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen hat und entsprechend die Verträge noch widerrufen werden können. Die von vielen als „Widerrufsjoker“ bezeichnete Ausübung des Widerrufsrechts nach Jahren wurde somit wiederbelebt

Ist mein Vertrag betroffen?

Auch wenn die oben genannte Formulierung in Ihrem Vertrag enthalten ist, sollte der gesamte Vertrag geprüft werden. Hintergrund ist, dass die Banken wie oben bereits ausgeführt sich auf den sogenannten „Musterschutz“ berufen werden: Das bedeutet, dass die Bank einwendet, sie habe nichts falsch gemacht, soweit sie 1:1 das (falsche) Muster des Justizministeriums für Widerrufsbelehrungen übernommen hat. Dies greift jedoch nur, soweit die Banken hier keine Änderungen vorgenommen haben. Viele Banken haben jedoch kleinere Veränderungen vorgenommen, die jetzt dieses Argument entfallen lassen.

Auch wird noch von den Gerichten zu klären sein, ob der Musterschutz für die Banken wirklich schwerer wiegt als die vom EuGH vorgegebene Maßgabe für den Verbraucherschutz. 

Wir prüfen Ihren Kreditvertrag kostenfrei und geben Ihnen eine Ersteinschätzung ab. Unser Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Sebastian Kerner kann über die Entwicklungen und die Rechtsprechung fachkundige Auskunft erteilen. 


Für welche Verträge gelten die Vorgaben des EuGH?

Die Vorgaben gelten für sämtliche Verbraucherkreditverträge, also sowohl Baufinanzierungen und Kfz-Kreditverträge und Leasingverträge. Bei den Baufinanzierungen sind Verträge aus dem Zeitraum vom 11.06.2010 bis zum 20.03.2016 betroffen. Insbesondere bei den Fahrzeugfinanzierungen wurde die Formulierung  noch viel länger, teilweise noch in aktuellen Verträgen, verwendet. Diese sind daher bis heute widerruflich. 

Unsere Kanzlei ist auf die Prüfung von Immobiliendarlehen und die Erklärung des Widerrufs spezialisiert. Wir überprüfen Ihren Darlehensvertrag kostenfrei auf Fehler der Bank und sagen Ihnen, ob auch Ihr Vertrag widerrufbar ist. Unser Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht prüft sorgfältig und zeigt Ihnen auf, wie weiter vorzugehen ist. 

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